Die Kinderoper »Brundibár« von Hans Krása (1943, Theresienstadt) erzählt die Geschichte vom letztlich erfolgreichen Kampf vieler kleiner, vermeintlich chancenloser Kinder gegen das Böse, verkörpert durch den Leierkastenmann Brundibár.
Die Geschwister Aninka und Pepíček sind in Sorge um ihre schwer kranke Mutter. Für frische Milch – das benötigte Heilmittel – reicht das Geld nicht. Auf dem Markt entdecken die Halbwaisen den Leierkastenmann Brundibár, der die Erwachsenen mit seiner Musik in den Bann zieht und mit vielen Münzen belohnt wird. Die Kinder versuchen nun ihrerseits, mit Singen das ihnen fehlende Geld zu verdienen. Aber niemand bemerkt sie, da ihre Stimmen zu schwach sind. Entmutigt gehen sie nach Hause.
In der Nacht kommen ein Hund, eine Katze und ein Spatz zu den traurigen Kindern und versprechen ihnen Hilfe. Ihr Plan: Wenn viele Kinderstimmen gegen Brundibár antreten, könnten sie etwas gegen ihn ausrichten. So trommeln sie alle Kinder aus der Nachbarschaft zusammen und üben Singen. Und tatsächlich: Am nächsten Tag will niemand mehr Brundibár hören, alle Leute kommen und lauschen ihrem Gesang. Als Aninka und Pepíček das Geld für die Milch endlich zusammen haben, schleicht sich Brundibár heran und stiehlt das Verdiente. Alle Tiere und Kinder verfolgen den Dieb und können Brundibár schließlich gemeinsam besiegen.
Hans Krása komponierte seine Kinderoper »Brundibár« 1938 und schrieb sie nach seiner Deportation in das KZ Theresienstadt erneut nieder, weil er die Partitur nicht hatte mitnehmen können. In Theresienstadt wurde die Kinderoper über 50-mal aufgeführt. Die Sänger:innen und Schauspieler:innen waren jüdische Kinder, von denen bald darauf die meisten, wie auch Hans Krása, in Auschwitz ermordet wurden.
Unter schwierigsten Umständen wurden einfache Bühnenbilder und Kostüme geschaffen. Die fröhlichen Melodien der kleinen Oper »Brundibár« begeisterten gleichermaßen Ausführende wie Zuhörer:innen und ließen eine Zeit lang die Schrecken des Lagerlebens vergessen. Die Solidarität der Schwachen gegen einen despotischen Charakter steht im Mittelpunkt der Oper. Ein echtes »Mutmachstück«.
Dieses Stück bot eine ideale Möglichkeit, Kinder durch das Medium Musik u.a. an Fragen der Zeitgeschichte heranzuführen. Jungen und Mädchen im Alter von 7 bis 15 Jahren spielten die Hauptrollen in dieser außergewöhnlichen Oper, ältere Schüler:innen führten in einer Rahmenhandlung in das Werk ein, indem sie aus Zeitzeugnissen lasen. Bei dieser Produktion gab es verschiedene Beteiligungsmöglichkeiten mit unterschiedlichem zeitlichen Aufwand. Angestrebt war eine übergreifende Zusammenarbeit der Fächer Geschichte, Musik, Ethik, Religion und Kunst. Das Stück wurde mit einem erprobten Regisseur erarbeitet und von Thomas Neuhoff, dem Künstlerischen Leiter des Bach-Vereins Köln, musikalisch einstudiert.
Mitwirkende
Solist:innen des Kinderchors der Evangelischen Lukaskirche Bonn
Schüler:innen der Europaschule Kerpen, der Gemeinschaftsgrundschule Soldiner Straße und der Kölner Domsingschule
Kammerorchester des Bach-Vereins Köln
Thomas Neuhoff, Gesamtleitung
Möglichkeiten der Beteiligung
- Solo-Rollen mit Gesang
Anspruchsvolle Rollen, die geübte Sänger:innen erforderten: Brundibár, Aninka und Pepíček, Milchmann, Tiere, Polizist.
- Solo-Sprechrollen
Wichtige Sprechrollen, die jedoch keine solistischen Gesangspartien enthielten: Zeitungsverkäufer, Eismann, Bäcker; außerdem stumme, aber schauspielerisch anspruchsvollere und umfangreichere Rollen.
- Chorpartie
Reine Beteiligung im Kinderchor – hier konnte jede:r mitsingen. Eine ideale Aufgabe für diejenigen, die Spaß am Singen hatten
- Instrumentalpartien
Schwierige solistische Instrumentalpartien, die hoch entwickelte junge Musiker:innen erforderten
- Leserollen
Ältere Schüler:innen lasen in der Rahmenhandlung aus Dokumenten der Internierten von Theresienstadt oder Berichten über die dortigen Lebensverhältnisse.
- Herstellung von Bühnenbild und Requisiten, Kostümentwurf
Herstellung des – analog zu den Verhältnissen in Theresienstadt – einfachen Bühnenbilds und der einfachen Kostüme im Rahmen des Kunstunterrichts.
Aufführungen
- 17. April 2008: Aula der Kölner Domsingschule (Klavierfassung)
- 23. April 2008: Aula der Europaschule Kerben (zwei Aufführungen: Klavier- und Orchesterfassung)
- 25. April 2008: Aula der Gemeinschaftsgrundschule Soldiner Straße, Köln-Lindweiler (Klavierfassung)
- 1. Mai 2008: Kindertag in der Kölner Philharmonie (Orchesterfassung)

Pressestimmen
»... Riesenbeifall für die kleinen Sänger, Tänzer und Darsteller der Gemeinschaftsgrundschule Soldiner Straße. Zwei Mal haben sie Hans Krasas Kinderoper Brundibár gespielt, zwei Mal war die Aula voll besetzt. Die Arbeit hat sich gelohnt. Ein halbes Jahr lang hatte Musiklehrer Reinhold Ide mit dem Schulchor die kindgerechte, aber dabei anspruchsvolle Musik des Prager Komponisten eingeübt. Hinzu kamen Bühnenproben mit Thomas Neuhoff, dem Leiter des Kölner Bach-Vereins, der schon länger auch musikpädagogische Projekte anbietet. Neuhoff hat Krasas Orchesterbegleitung für Klavier arrangiert. Jetzt leitete er die herzerfrischende Aufführung als Regisseur, Souffleur und Klavierbegleiter.« (Kölner Stadt-Anzeiger, 1./2. Mai 2008)
»... Die historischen Fakten stimmen nachdenklich. Schülerinnen der 10. Klassen berichten etwa über den Alltag der Kinder im Konzentrationslager Theresienstadt. Schülerin Eva Vosen singt: ›Und der Regen rinnt‹ – bewegende Worte, die aus der Feder von Ilse Weber stammen, einer Autorin, die ebenfalls nach Theresienstadt deportiert wurde. Da muss erstmal ordentlich durchgeatmet werden. Und den rund 400 Besuchern in der Aula des Europagymnasiums wird klar, dass die folgende Aufführung der Kinderoper ›Brundibár‹, so bunt und fröhlich sie auch daherkommen mag, trotzdem noch ein Zeugnis der unmenschlichen Verbrechen der Nazi-Diktatur ist. Rund 70 Kinder kommen auf die Bühne ... und erzählen singend und tanzend die Geschichte rund um die Geschwister Aninka und Pepicek.« (Kölner Stadt-Anzeiger, 29. April 2008)
»... Der begeisterte Applaus, den die jungen Künstler nach der Oper zu Recht ernteten, hätten auch die älteren verdient gehabt. Wie junge Menschen sich diesem ernsten Kapitel der Geschichte näherten, berührte das Publikum jedoch merklich. Daher darf der verhaltene Applaus als Beweis dafür gelten, dass die Kerpener Gymnasiasten mit ihrer Aufführung den richtigen Ton getroffen haben.« (Kölnische Rundschau, 28. April 2008)
Zwei Oratorien, die unter dem Eindruck des Dritten Reichs und des Zweiten Weltkrieges entstanden sind, standen am 14. Juni 2009 auf dem Programm eines gemeinsamen Konzertes des Bach-Vereins Köln und dem Philharmonischen Chor der Stadt Bonn: Michael Tippetts »A Child of Our Time« sowie Frank Martins »In Terra Pax« in der Kölner Philharmonie. Dirigent Thomas Neuhoff nahm dieses Konzert zum Anlass, erneut ein groß angelegtes Jugendprojekt in Bonn und Köln ins Leben zu rufen.
Von Februar bis Mai 2009 beschäftigten sich Schüler:innen aus Bonner und Kölner Schulen mit der Frage, was es für sie bedeutet, hier und heute Kinder unserer Zeit zu sein. Im Deutschunterricht wurden sie ermutigt, ihre Alltagserfahrungen in Texte zu fassen; Ausgrenzung, Gewalt in Familie und Schule, Armut, Rassismus, Religion und Toleranz konnten dabei Themen sein. Im Kunstunterricht und in Theater-AGs konnten die Themen körperlich und sinnlich erfahrbar umgesetzt werden, im Geschichtsunterricht – in der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit – erlangten die Kinder und Jugendlichen historisches Bewusstsein nicht nur kognitiv, sondern durch die Verknüpfung mit eigenem Erleben auch emotional. Im Musikunterricht schließlich vertonten die Schüler:innen die entstandenen Texte, angeregt und beraten von Thomas Neuhoff und dem Komponisten David Graham. Beteiligt waren neben dem Lehrpersonal die Theaterpädagogin Kerstin Baldauf sowie professionelle Musiker.
Mitwirkende
Kerstin Baldauf, Theaterpädagogin
David Paul Graham, Komponist
Rabih Lahoud, Gesang
Ansu Yeboah, afrikanische Trommeln
Schüler:innen der Gemeinschaftshauptschule Wachtberg, der Hauptschule am Römerkastell Bonn, der Bertolt-Brecht-Gesamtschule Bonn, der Gemeinschaftsgrundschule Soldiner Straße, der Europaschule Kerpen und des Konrad-Adenauer-Gymnasiums Bonn
Thomas Neuhoff, Gesamtleitung
Rahmenprogramm
- 14. Mai 2009: Aula des Konrad-Adenauer-Gymnasiums Bonn-Bad Godesberg
Abschlusspräsentation der Schulen aus dem Raum Bonn
- 19. Mai 2009: Aula des Gymnasiums der Stadt Kerpen - Europaschule
Abschlusspräsentation der Schulen aus dem Raum Köln
- 21. Mai 2009 (Christi Himmelfahrt): Kölner Philharmonie
Präsentation ausgewählter Projekte beim Kindertag in der Kölner Philharmonie
- 23. Mai 2009: NS-Dokumentationszentrum (El-De-Haus) Köln
Führung: Der deutsch-türkische Schriftsteller Doğhan Akhanli führt durch das Kölner NS-Dokumentationszentrum.
- 25. Mai 2009: Synagoge, Tempelstr. 2-4, Bonn
»Antisemitismus – ein Thema auch für Jugendliche!«
Workshop für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahre mit Astrid Mehmel (Gedenkstätte Bonn) und Dr. Margret Traub (Synagogengemeinde Bonn): Über Einstellungen Bonner Schülerinnen und Schüler zu Juden und zum Antisemitismus, um historische Zusammenhänge und stereotype Vorurteile.
- 26. Mai 2009: Ev. Lukaskirche Bonn
Öffentliche Probe mit Werkeinführung zu Michael Tippetts Oratorium »A Child of Our Time«
Philharmonischer Chor der Stadt Bonn; Thomas Neuhoff, Dirigent
Im Anschluss daran Filmvorführung: »Das kurze mutige Leben des Herschel Grünspan« (arte 2007)
- 3. Juni 2009: Kino in der Brotfabrik
»Ein Kind unserer Zeit« (»Un fils de notre temps«)
Film des französischen Filmemachers Fabrice Cazeneuve nach dem gleichnamigen Roman von Ödön von Horvath. Michael Tippett entlehnte den Titel des Romans für sein Oratorium »A Child of Our Time«. (Frankreich 2002, 90 Min., DF)
- 7. Juni 2009: Ev. Lukaskirche Bonn
Themengottesdienst »In Terra Pax« mit Musik von Frank Martin
Pfarrer Michael Schäfer und Siegfried Virgils; Michael Adair, Bariton; Philharmonischer Chor der Stadt Bonn; Thomas Neuhoff, Leitung
- 7. Juni 2009: Arkadas Theater Köln
Lesung mit Musik: Doğan Akhanli liest aus seinem Roman »Die Richter des jüngsten Gerichts«
Doghan Akhanli und Kerstin Baldauf, Rezitation; Instrumental- und Vokalensemble des Bach-Vereins Köln; Matthias Höhn, Duduk und Sas; Michael Adair, Bariton; Thomas Neuhoff, Leitung
- 10. Juni 2009: Trinitatiskirche Köln
Einführungsveranstaltung zum Konzert am 14.06.: »The darkness declares the glory of light« – Musik unter dem Eindruck des Zweiten Weltkrieges
Mitglieder des Bach-Vereins Köln und des Philharmonischen Chores Bonn; Michael Adair, Bariton; Dr. Martin Bock, Theologe; Thomas Neuhoff, Leitung
- 14. Juni 2009: Kölner Philharmonie
Konzert mit Michael Tippett: »A Child of Our Time« und Frank Martin: »In Terra Pax«
Indra Thomas, Gerhild Romberger, Luca Martin, Thomas Laske, Klaus Mertens; Chor des Bach-Vereins Köln; Philharmonischer Chor Bonn; Gürzenich-Orchester Köln; Thomas Neuhoff, Leitung
- 17. Juni 2009: Kino in der Brotfabrik Bonn-Beuel
»Autistic Disco« (Deutschland 2007, 85 Min.), Regie: Hans Steinbichler
- 21. Juni 2009: Filmforum NRW (im Museum Ludwig)
»Ein Kind unserer Zeit« (»Un fils de notre temps«)
Förderung durch Liz Mohn Kultur- und Musikstiftung
Mit ihrer Ideeninitiative »Integration durch Musik« fördert die Liz Mohn Kultur- und Musikstiftung das Miteinander von Kindern und Jugendlichen unterschiedlicher Nationalitäten und kultureller Herkunft. Deutschlandweit hatte sie 2009 Vereine, Verbände, Stiftungen und individuelle Initiatoren mit gemeinnütziger Zielsetzung eingeladen, musisch orientierte Projekte für eine erfolgreiche Integration junger Menschen zu entwickeln. 91 Bewerbungen gingen bei der Ideeninitiative ein. Die 14 besten wurden von der Liz Mohn Kultur- und Musikstiftung finanziell unterstützt, darunter auch der Bach-Verein Köln und der Philharmonische Chor der Stadt Bonn mit ihrem gemeinsamen Schülerprojekt »Kinder unserer Zeit«.
Pressestimmen
»Dem Künstlerischen Leiter beider Chöre, Thomas Neuhoff, liegt die musikalische Nachwuchsarbeit am Herzen. Er will Kinder und Jugendliche nicht nur mit Musik auch des 20. Jahrhunderts vertraut machen, sondern sie ermutigen, selbst aktiv zu werden ... Das aktuelle Projekt zeichnet sich in zweierlei Hinsicht aus: Zum einen führt es die Schülerinnen und Schüler über die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit an Themen wie Ausgrenzung, Gewalt, Armut, Rassismus, Religion und Toleranz heran. Zum anderen werden die Kinder und Jugendlichen angeleitet, ihre eigenen Erfahrungen und Emotionen zu diesen Themen mit musikalischen, künstlerischen, poetischen und theatralischen Mitteln auszudrücken – als ›Kinder unserer Zeit‹« (Bonner Rundschau, 21. April 2009)
»In diesen Schülern steckt Musik. Einige scheinen selbst überrascht, dass sie Komponist sein können, Pianistin oder Rapper. Andere, wie die Bläserklasse der Bertolt-Brecht-Gesamtschule, überraschen ihren Lehrer. Beim Projekt ›Kinder unserer Zeit‹ zeigen Schüler aus sechs Schulen in Bonn, Wachtberg und Köln zurzeit, was in ihnen steckt. Sie schlagen damit eine Brücke zu zwei Oratorien, die unter dem Eindruck des Dritten Reichs und dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind: Michael Tippetts ›A Child of Our Time‹ und Frank Martins ›In Terra Pax‹ . Dirigent Thomas Neuhoff will nicht nur Jugendliche an diese Musik heranführen, die er mit dem Philharmonischen Chor der Stadt Bonn und dem Bach-Verein Köln aufführt. Er fragte sich auch, wie Kinder unserer Zeit die Welt sehen. Rosig ist sie für die Siebtklässler der Hauptschule am Römerkastell nicht, ihre Traumzimmer haben sie aus Abfall gebastelt. Doch in den vergangenen Wochen sind ungewöhnliche Talente zum Vorschein gekommen. Thomas Neuhoff und Komponist David Graham zeigen den Schülern, wie sie sich mit Musik ausdrücken können. ›Wärst du hier, dann wärst du stolz auf mich‹, rappt Baris, das Rhythmus-Talent der Gruppe. Und das wären alle Mamas, an die diese Zeilen gerichtet sind, sicherlich ...‹« (General-Anzeiger Bonn, 6. Mai 2009)
»Eine ebenso großartige Eigenleistung bewies die Bläserklasse 5 der Bertolt-Brecht-Gesamtschule. Mit ihren Instrumenten, die sie seit Beginn des Schuljahres lernen, vertonten die Schüler selbst verfasste Gedichte, in denen sie schöne und schlimme Erlebnisse einer ganz normalen Woche verarbeitet hatten. Dass man Gefühle auch nur instrumentell ausdrücken kann, zeigte die 7. Klasse der Hauptschule Am Römerkastell. Mit ihrem Stück – ›Wir‹ betitelt – stellte sie das tägliche Auf und Ab mit einer Mischung aus harten und weichen Klängen dar. Auf ganz andere Weise hatte sich der Kunst-Grundkurs der zwölften Jahrgangsstufe des Adenauer-Gymnasiums mit dem Thema auseinander gesetzt. Die Schüler präsentierten an diesem Abend vier Skulpturen, in denen sie Gewalt, zerrüttete Familienverhältnisse, Unterdrückung und den Wandel der Geschlechterrollen zeigen. Thomas Neuhoff wünscht sich, dass die Schüler erkennen, dass sie selbst in der Lage sind, Musik zu machen. ›Das ist viel kreativer, als sich beschallen zu lassen.‹« (General-Anzeiger Bonn, 16. / 17. Mai 2009)